Sie sind in aller Munde. Süß, mit dem Geschmack von Karamell und knusprig. Die Rede ist von Glückskeksen. In Deutschland werden sie mit chinesischem Essen assoziiert. Auch wenn jeder davon überzeugt ist, dass die Glückskekse in China ihren Urspung haben, stimmt es so leider nicht. Frau Inga rekonstruiert die Geschichte der Fortune Cookies.
Amerika! Vorbei waren Hunger, Armut und die Willkür des Kaisers. Vorbei die Enge im dunklen Schiffsrumpf. Endlich war Makato frei. Hier würde er neu beginnen und sein Glück machen. Er würde es schaffen. Ganz sicher! Seine Familie sollte stolz auf ihn sein. Und eines Tages würden auch sie die Erde dieses wunderbaren Landes unter ihren Füßen spüren können.
Viele Jahre waren vergangen, seitdem Makato Hagiwara in San Francisco gelandet war. Jahre, in denen er in den Docks wie ein Pferd geackert und von den Resten der feinen Restaurants gelebt hatte. Ein billiges Zimmer musste er sich mit sechs anderen teilen. Doch jetzt hatte er es wirklich geschafft. Eine kleine Teestube im Golden Gate Park nannte er sein Eigen. Dort servierten die Mitglieder seiner Familie japanischen Tee und chinesische Spezialitäten. Und die Amerikaner kamen, aßen und tranken mit Genuss. Noch waren es zu wenig Gäste für ein gutes Auskommen. Makato musste sich etwas einfallen lassen.
Die Glückskekse erobern Amerika
Bei einem seiner Streifzüge durch die große Stadt stieß er auf die Bäckerei Benkyodo. Erfreut wieder etwas aus seiner japanischen Heimat gefunden zu haben, betrat er den Laden. Nach dem Austausch der Begrüßungsformeln mit dem Hausherrn zeigte dieser ihm eine besondere Spezialität: kleine gebogene Kekse, die innen hohl waren. Dieses Gebäck wurde vor mehr als hundert Jahren von seinen Ahnen hergestellt. Hier nannte er sie „Fortune Tea Cookies“. Denn in ihrem Hohlkörper fand der Esser einen Zettel, auf der eine alte Weisheit geschrieben stand. Makato, der davon so angetan war, servierte diese Kekse fortan seinen Gästen zum Tee.
Glückskekse in aller Munde
So oder so ähnlich musste die Geburtsstunde der Glückskekse in der Neuen Welt gewesen sein. Das war am Anfang des 20. Jahrhunderts. Es sollte jedoch noch einige Jahrzehnte dauern, bis sich Glückskekse in ganz Amerika verbreiteten und weitere Jahre, bis sie auch nach Deutschland kamen. Kurioserweise waren sie in China bis in die 1990er Jahre vollkommen unbekannt. Und das, obwohl sie in den westlichen Ländern untrennbar mit der chinesischen Küche assoziiert werden. Dafür gibt es gute Gründe. Im Amerika des frühen 20. Jahrhunderts servierten viele japanische Migranten chinesische Gerichte. Aber auch chinesische Restaurants servierten dieses süßes Gebäck und trugen somit maßgeblich zu deren Verbreitung bei.
Glückskekse sind heute nicht mehr nur eine Zugabe zum Wechselgeld in chinesischen Restaurants. Die Werbung hat diese Kekse schon längst als Marketinginstrument entdeckt und setzt sie gerne für Promotionaktionen ein. Als Give-away erfüllen Glückskekse gleich einen dreifachen Nutzen: Verpackung, Zettel und Bindung der Aufmerksamkeit. Die Verpackung drückt aus, worum es eigentlich geht. Der Papierstreifen im Inneren des Kekses vertieft die Botschaft. Und während des Essens werden Papierstreifen und Verpackung noch einmal betrachtet. Das wird die Werbebotschaft quasi durchgekaut. Ein geniales Werbemittel, das sich auch für kleinere Werbeaktionen anbietet. Denn individuell gestaltete Glückskekse werden bereits in einer Stückzahl von weniger als 2.000 Stück hergestellt.
Knusprig verpackte Weisheiten
Heute werden in den USA 3 Milliarden (nur gegen Bezahlung lesbar) Kekse jährlich produziert. In der größten deutschen Glückskeksbäckerei sind es jedes Jahr 40 Millionen Stück [Link nicht mehr verfügbar]. Wahrscheinlich sind es sogar mehr, gibt es doch drei große Bäckereien. Und wie mir einer der Hersteller mitteilte, gibt es gerade einen Glückskeksboom. Da laufen täglich mehr als hundertausend knusprige Kekse mit Glücksbotschaften vom Band.
Damit der Keks so lecker und ein wenig nach Karamell schmeckt, haben die Bäckereien lange an den Rezepturen getüftelt. Dafür werden ausschließlich hochwertige Zutaten verwendet, die auf Nachfrage auch bio sind.
Die unvorstellbare Menge von mehr als 40.000.000 Stück geht mir gar nicht mehr aus dem Kopf. Rein statistisch bedeutet das, dass wirklich jeder Deutsche, also auch Säuglinge, einen halben Glückskeks im Jahr isst. So gesehen sind das gar nicht so viele.
Im letzten Jahr habe ich mir meinem statistischen halben Glückskeks aufgespart, damit ich in diesem Jahr einen ganzen essen kann. Und den werde ich jetzt knacken … Ich bin gespannt, welche Botschaft Fortuna für mich bereithält.
Die Kunstfolie, die den Glückskeks verhüllt, knistert.
Ich entnehme den Keks.
Den Keks breche ich in der Mitte durch.
Ein Stück Papier wird sichtbar.
Die Spannung steigt.
Ich ziehe den Papierstreifen aus den Kekshälften.
Tataaaaa …
„Sie haben ein freundliches Herz
und werden sehr bewundert.“
Aha. Während ich den Keks knabbere, der knusprig und süß ist, denke ich über diese schmeichelnden Worte nach. Ein freundliches Herz? Ach ja, eigentlich schon, zumindest meistens. Werde ich bewundert? Hin und wieder wird mir das gesagt. Ich sehe das anders. Das ist wohl der blinde Fleck, mit dem ich mich betrachte. Will ich denn überhaupt bewundert werden? Das ist doch nicht wichtig. Ich bin eben so, wie ich bin. Punkt.
Ein glückliches Herz wünscht
Frau Inga
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